Wo ein politischer Wille, ist ein bilateraler Weg

Bern, 19.4. 2021 – Appell an den Bundesrat, das Rahmenabkommen mit politischer Umsicht fertig zu verhandeln und innenpolitische demokratische Entscheidungsprozesse zu respektieren: Für eine prosperierende Zukunft der Schweiz und im Interesse der jüngeren Generationen.

«progresuisse» ist sehr besorgt über die jüngsten Entwicklungen zum Rahmenabkommen. Zum einen zeigt der Bundesrat keinen erkennbaren politischen Willen, das Abkommen aussenpolitisch konstruktiv zu einem guten Abschluss zu bringen und innenpolitisch für dessen klare Vorteile einzustehen. Zum anderen macht der Bundesrat keine Anstalten, in den gewohnten demokratischen Prozessen zu einem positiven Entscheid über die für die Zukunft der gesamten Gesellschaft und damit der nachfolgenden Generationen wohl wichtigste Frage der letzten Jahrzehnte zu finden und anschliessend die Vorlage dem Parlament zur Debatte und zum Entscheid zu überweisen. Dass der Bundesrat nicht willens scheint, den Rahmenvertrag und damit die Zukunft des bilateralen Wegs zu sichern, erstaunt Kaspar Wenger, VRP von Holcim-Schweiz und Gründungsmitglied «progresuisse»: «Zum Rahmenabkommen gibt es keinen Plan B. Scheitert es, gibt es nur noch Schadensbegrenzung.»

Der Bundesrat liess noch 2020 verlauten, dass im bereits ausgehandelten Vertragstext 80% stimmig sind. Und es ist auch bekannt, dass die EU Verhandlungsbereitschaft signalisiert, sofern die Schweiz nach langer Inaktivität in diesem Dossier ihre langjährige Geduld nicht überstrapaziert. «Alle strittigen Punkte sind lösbar, wenn denn der politische Wille da ist», so die Präsidentin der aussenpolitischen Kommission APK des Nationalrates, Tiana-Angelina Moser. «progresuisse» begrüsst es, dass der Bundesrat mit den sogenannten Klärungen das Rahmenabkommen zu Gunsten der Schweiz zu optimieren versucht. Doch das darf nicht, wie die EU-Kommission befürchtet, eine Taktik sein, um eine Einigung zu verunmöglichen.

Das Vorgehen des Bundesrats ist umso erstaunlicher, als er in den Legislaturzielen 2019 – 2023, die vom Bundesrat vorgelegt und vom Parlament beraten und vor sieben Monaten verabschiedet wurden, u.a. folgende Ziele und Massnahmen formuliert hat:

  • Die Schweiz leistet ihren Beitrag zu einer tragfähigen Weltwirtschaftsordnung und sichert der Schweizer Wirtschaft den Zugang zu internationalen Märkten und zum EU-Binnenmarkt (Ziel 4)
  • Die Schweiz verfügt über geregelte Beziehungen mit der EU (Ziel 12)
  • Verabschiedung der Botschaft zum instituti­onellen Abkommen zwischen der Schweiz und der EU (Massnahme Ziff. 34)

Diese Ziele und Massnahmen wären bei einem negativen Entscheid des Bundesrats so nicht mehr möglich oder zumindest hochgradig gefährdet. «Nebst dem Verlust seiner aussenpolitischen Glaubwürdigkeit und Verlässlichkeit würde der Bundesrat auch gegenüber dem Parlament – seinem eigenen Wahlkörper – wortbrüchig.» meint Nationalrätin und APK-Mitglied Christa Markwalder.

Erstaunen tut diese bundesrätliche Politik aber auch, als dass er die Stimmen aus Wissenschaft, Wirtschaft, aus dem Gesundheitswesen und von allen Hochschulen, für die das Rahmenabkommen zum Erhalt des bilateralen Weges essentiell ist, zu ignorieren scheint. Das wird namentlich für unsere jüngeren Generationen einschneidende Konsequenzen haben. Für Ypsomed-Chef und «progresuisse» Gründungsmitglied Simon Michel ist klar: «Die Schweiz als kleines Land, das viel Handel treibt und international ausgerichtet ist, profitiert enorm vom EU-Binnenmarkt. Diesen Zugang zu erschweren, ist schlicht fahrlässig.»

«progresuisse» fordert vom Bundesrat eine konstruktive, lösungsorientierte Politik im Verhältnis zur EU als unserer wichtigsten aussenpolitischen Partnerin anstelle von zunehmender innen- und parteipolitisch motivierter Eskalation. Wenn der Bundesrat dies nicht kann oder will, so soll er das InstA unterschreiben und den Entscheid demokratisch korrekt dem Parlament und der Stimmbevölkerung überlassen. Beide Instanzen haben in den letzten Jahren den bilateralen Weg mehrfach bestätigt. Sie werden ihn auch hier bestätigen, denn es ist nicht der bilaterale Weg, sondern es sind die Alternativen dazu, die nicht mehrheitsfähig sind (EU- oder EWR-Mitgliedschaft oder fortschreitende Isolation). «Deshalb ist es unabdingbar, demokratiepolitisch einwandfreie Debatten und Entscheide in dieser ausserordentlich wichtigen Frage für die Zukunft der Schweiz zu gewähren. Es kann nicht sein, dass wir uns aussenpolitisch über angebliche Souveränitätsverluste beklagen, innenpolitisch aber den Souverän vom Entscheid ausschliessen.» hält Felix R. Ehrat, Verwaltungsrat, Lehrbeauftragter und Gründungsmitglied von «progresuisse» fest.

Es darf nicht sein, dass der Bundesrat in dieser Krise die zentralen Treiber von Wohlstand (EU-Marktzutritt) und Innovationskraft (EU-Forschungszusammenarbeit) aus lauter Angst vor dem eigenen Volk aushebelt.

«progresuisse» bietet dem Bundesrat einmal mehr Unterstützung an, eine fundierte und demokratisch notwendige Debatte zum Mehrwert des Rahmenabkommens für ein konstruktives Verhältnis mit unseren europäischen Nachbarn zu führen.