Es ist Zeit für eine engagierte Debatte zu den Bilateralen III

Kommentar von Simon Michel, Felix Ehrat, Kaspar Wenger – 1. August 2024

Bundesrat Beat Jans sinniert in seinem gleichsam pragmatischen wie pointierten Beitrag in der NZZ zu Sinn und Zweck der Bilateralen III darüber, ob «sie recht haben». Sie, die den Alleingang wollen und vor einem Verlust an Souveränität warnen, sollten wir uns mit der EU auf ein neues Vertragspaket einigen.

«Nein, denn in einer vernetzten und komplexen Welt stärkt man die eigene Souveränität, indem man die Beziehungen mit wichtigen Partnern klärt, verstetigt und stärkt.» so die dezidierte Schlussfolgerung des Bundesrates.

Zwei Tage darauf reagiert alt Bundesrat Ueli Maurer mit Vehemenz auf Jans’ Beitrag: «Als Hauptbegründung führt Bundesrat Jans an, dass damit die schweizerische Souveränität gestärkt werde. Das ist schon fast eine bösartige Verzerrung der Fakten.»

Der Beitrag von Bundesrat Jans rund um die Frage der Stärkung der Souveränität der Schweiz durch die Bilateralen III und die Reaktion von alt Bundesrat Ueli Maurer, flankiert von einer Inseratenkampagne in der Deutschschweiz nach dem doppelten Mehr, zeigt, dass eine Debatte über die Fortsetzung des bilateralen Weges dringend nötig ist. Das würde sich schon dahingehend lohnen, als Jans und Maurer mit dem Begriff «Souveränität» komplett Unterschiedliches meinen. In Jans’ Verständnis steht die kooperative Souveränität, welche der Herstellung von Frieden, Wohlfahrt und Gemeinwohl dient. Die Schweiz hat beste Erfahrungen damit, regelt sie doch so zum Beispiel ihr Verhältnis zwischen Bund und Kantonen.

In der nationalstaatlichen Geschichtsschreibung des 19. und 20. Jahrhunderts wurde dies – weil vieles nicht ins nationalstaatliche Selbstbild passte – verklärt und fortan anders verwertet. Wer so wie alt Bundesrat Maurer Souveränität ins Spiel bringt, will Alarm schlagen und verkünden, dass es um nichts weniger geht als um die Freiheit, die Unabhängigkeit und die Selbstbestimmung der Schweiz.
Aus diesem tradierten Geschichtsverständnis machen die Gegner der Verträge mit der EU ihr Mantra.

Christina Neuhaus von der NZZ hat recht, wenn sie schreibt, dass «die Diskussion über die Vor- und Nachteile des Verhandlungspakets die Öffentlichkeit noch kaum erreicht hat.» Gerade deshalb ist Jans Beitrag weit mehr als ein «leises Räuspern» (Zitat Neuhaus, NZZ, 27. Juli). Autonomiesuisse tut den Beitrag mit «Fake News» ab und für den Nebelspalter wird Jans gar zum «Löli des Tages». So geht Debatte überhaupt nicht!

Es ist nun endlich an den Parteien, den Verbänden und Organisationen wie economiesuisse, Arbeitgeber- und Gewerbeverband und den dutzenden Industrieverbänden diese Debatte dezidiert und engagiert zu führen. Wir von progresuisse unterstützen dabei, versachlichen die Diskurs und zeigen die Vor- und Nachteile einer Fortführung des Bilateralen Weges zwischen der Schweiz und der Europäischen Union auf. Und es ist an der anderen Seite, diese Debatte nicht mit pathetischen Appellen, sich ja nicht der EU anzunähern oder mit «Fake News-Stempeln» abzuwürgen. Das hat vor drei Jahren gewirkt; die «Entscheider» hatten fortan Angst, sich beim Wähler, bei der Partei, bei den Mitgliedern die Finger zu verbrennen. Weitergebracht hat es uns nicht, wie wir sehen.

Das darf heute nicht mehr wirken! Gute Debatten sind eine Voraussetzung lebendiger Demokratie und eines gelingenden Zusammenlebens in unserer vielfältigen Gesellschaft. Die braucht es zu diesem Thema speziell.

progresuisse nimmt den starken Ball von Beat Jans auf!