Der Wert der Bilateralen für… die Studierenden.
Von
Progresuisse
am 12. März 2025
Gespräch mit Johann von Graffenried, Generalsekretär der Bewegung YES – Young European Swiss, 12. März 2025

Was bringt Ihnen Europa? Was bringt Ihnen eine Schweiz mit stabilen Beziehungen zur EU als Student?
Studierende profitieren massgeblich von stabilen Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU. Dies ist insbesondere im Bereich der Studierendenmobilität der Fall. Die EU fördert mit Bildungsprogrammen wie Erasmus+ Austauschmöglichkeiten für Studierende innerhalb Europas. Eine Hochschulerfahrung im Ausland bietet für Studierende auf mehreren Ebenen Vorteile und fördert nicht zuletzt auch die persönliche Weiterentwicklung. Die Studierenden können so Sprachkenntnisse verbessern, Unabhängigkeit gewinnen, ihr Netzwerk vergrössern und ihren kulturellen sowie akademischen Horizont erweitern. Solche Erfahrungen sind zudem auch sehr wertvoll für die spätere berufliche Karriere. Aus diesen Gründen ist es entscheidend, dass die Schweiz Teil ist von Erasmus+ und enge Beziehungen zu ihren europäischen Partnern pflegt. Es ist erfreulich, dass die Schweiz ab 2027 wieder Teil von Erasmus+ sein soll, auch wenn ich mir eine frühere Assoziierung gewünscht hätte.
Ab dem 1. Januar 2025 kann die Schweiz wieder an fast allen Ausschreibungen von Horizon Europe teilnehmen. Wie nehmen Sie diese Entwicklung wahr, und warum halten Sie es für essenziell, dass die Schweiz in diesem wissenschaftlichen Raum integriert bleibt?
Ich begrüsse diesen Schritt sehr. Ähnlich wie bei Erasmus+ ist es auch im Forschung- und Innovationsbereich zentral, dass die Schweiz nicht aussenvorbleibt. Die Schweiz kann mit ihren hervorragenden Forschungsinstitutionen wichtige Beiträge auf gesamteuropäischer Ebene leisten, um zu Lösungen in den dringendsten Fragen unserer Zeit zu gelangen. Ich bin davon überzeugt, dass es entscheidend ist, als geschlossener europäischer Akteur aufzutreten, um in den wichtigsten Technologien und Innovationen der Gegenwart, allen voran Künstliche Intelligenz, Elektromobilität und erneuerbare Energien, nicht von Staaten wie den USA oder China abgehängt zu werden. In diesen geopolitisch herausfordernden Zeiten wird deutlich, wie wichtig es für die Zukunft ist, als geeintes und fortschrittliches Europa zu handeln. Dafür ist die Wissenschaft essenziell, weshalb es ein starkes Signal ist, dass die Schweiz wieder an Horizon Europe partizipieren kann. Ausserdem profitiert auch die Schweiz von einer solchen Zusammenarbeit. Internationale Forschungsnetzwerke können nämlich auch zur Innovationssteigerung hierzulande beitragen, indem Knowhow ausgetauscht wird.
Der Bundesrat hat den Abschluss der Verhandlungen mit der EU im Rahmen der Bilateralen III angekündigt. Einige sind jedoch der Ansicht, dass die Schweiz auf die bilateralen Abkommen verzichten und ihre Zusammenarbeit mit anderen Regionen der Welt verstärken könnte. Wie sehen Sie als Student diese Alternative in Bezug auf die konkreten Chancen, die die Beziehungen zur EU bieten?
Ich halte diese Einstellungen für problematisch, da sie die Realität verkennen. Die EU ist unser wichtigster Handelspartner und wir teilen mit ihr dieselben Werte. Auch historisch sind wir sehr eng miteinander verbunden. Natürlich ist es auch richtig mit anderen Regionen dieser Welt stabile Beziehungen anzustreben, es wäre jedoch schädlich unsere Nachbarn und wichtigsten Partner diesbezüglich zu vernachlässigen. Für Studierende hätte dies ebenso negative Folgen. Sie profitieren von der Personenfreizügigkeit, die uns die bilateralen Abkommen ermöglichen. Diese reduziert in vielerlei Hinsicht bürokratische und administrative Hürden. So ist beispielsweise die Organisation eines Auslandssemesters ausserhalb Europas, was selbstverständlich auch sehr bereichernd sein kann, deutlich aufwendiger als diejenige eines Studienaufenthalts in der EU. Ich selbst befinde mich zurzeit in einem Auslandssemester in Frankreich und musste mich mit erstaunlich wenig Bürokratie und administrativen Auflagen befassen. Mit der vollständigen Partizipation an Erasmus+ wird dies noch einfacher und auch kostengünstiger. Auch den Schweizer Universitäten würde viel Aufwand erspart bleiben, da sie die Austausche momentan über SEMP organisieren, was bedeutet mit allen ausländischen Universitäten bilaterale Abkommen abschliessen zu müssen. Dies würde mit einer Teilnahme an Erasmus+ wegfallen. Des Weiteren könnten Studierende neben den Auslandssemestern auch von weiteren EU-Förderprogrammen profitieren, wie zum Beispiel Erasmus Mundus oder den Erasmus+-Praktika. Die Vorteile, die Europa Studierenden bringt sind immens!
Sie gehören einer Generation an, die die Schweiz vor den bilateralen Abkommen praktisch nicht gekannt hat. Welches Interesse haben Schweizer Studierende am bilateralen Weg, und wie schlagen Sie vor, sie im Hinblick auf die kommende Kampagne zum Abkommen-Paket zu mobilisieren?
Das ist richtig, für unsere Generation ist es praktisch selbstverständlich, dass wir uns problemlos innerhalb Europas bewegen, niederlassen oder sogar arbeiten können. So ist beispielsweise ein Wochenendausflug nach Mailand oder ein Einkauf in Weil am Rhein Normalität für viele Schweizerinnen und Schweizer. Hinzu kommen die wirtschaftlichen Vorteile durch die Partizipation am EU-Binnenmarkt, die oftmals als selbstverständlich wahrgenommen werden. Das sind alles Errungenschaften unserer bilateralen Beziehungen, weshalb diese gestärkt und weitergeführt werden müssen. Das neue Vertragspaket ist wegweisend für die Zukunft der Schweiz, da es die künftigen Beziehungen zur EU regeln wird. Aus diesem Grund ist es für die Jugend, und damit auch die Studierenden, entscheidend sich für diese Abkommen einzusetzen. Es wird wichtig sein, dass die junge Generation die Bilateralen III mit geeinter Stimme befürworten wird. Hier sieht sich auch die young european swiss in der Verantwortung, um über Parteigrenzen hinweg zu vermitteln. Wir sind davon überzeugt, dass die Stimme der Jugend in der kommenden Abstimmungskampagne zentral sein wird, sodass wir uns mit voller Kraft dafür einsetzen, Studierende sowie Lernende von diesem wichtigen Schritt zu überzeugen. Dazu gehören unter anderem die Richtigstellung von Mythen, welche die Gegnerseite ständig mit in die Diskussion einführt, sowie die Sensibilisierung der Öffentlichkeit mit den Themenschwerpunkten der Jugend. Wir müssen aufzeigen, dass die bilateralen Beziehungen ein Erfolgsmodell für die Schweiz sind und, dass die vereinfachte und schlagwortversehene Rhetorik der Gegnerseite die Fakten missachtet. Ich wünsche mir daher, dass die öffentliche Debatte zukunftsgerichtet geführt wird mit Einbezug der Anliegen unserer Generation.
Erschienen im progresuisse-Newsletter am 12. März 2025